Abstrakt
I. Einführung Das Wachstum der Europäischen Union begleiten die gesellschaftlichen Veränderungen, denen u. a. eine permanent ansteigende Mobilität der Menschen über Staatsgrenzen hinweg folgen. Damit steigt auch die Anzahl von bi-nationalen Ehen und Lebensgemeinschaften an (ca. 350.000 jährlich), die auch zahlreich geschieden werden (ca. 170.000). Insbesondere beim Scheitern von diesen bi-nationalen Beziehungen, aus denen Kinder hervorgehen, wird die internationale Dimension der Problematik von Streitigkeiten um die elterliche Sorge- und das Umgangsrecht deutlich. Im interkulturellen Kontext nämlich zeichnet diese Problematik eine zusätzliche Komplexität aus, die sowohl auf die rechtliche als auch auf die kulturelle Dimension zurückzuführen ist. Wird beispielsweise eine deutsch-polnische Ehe geschieden, so werden neben den europäischen Regelungen auch die innerstaatlichen Rechtssysteme beider Staaten gefragt, was ohnehin komplizierter als Anwendung von Rechtsvorschriften innerhalb eines Staates werden kann (bedenke man nur die den einheimischen Rechtsberatern oft „fremden” Rechtsvorschriften1, fremde Sprache und den Aufwand der zwischengerichtlichen Kommunikation). Auch die Kultur des Anderen, die am Anfang der Beziehung faszinierend gewesen sein konnte, kann mit der Zeit zum trennenden Element werden und Misstrauen erwecken. Die kulturellen Differenzen und dahinter stehenden Wertesysteme erscheinen insbesondere im Kontext der Verantwortung, die der Alltag mit Kindern bedeutet und häufig etwas verschiedene Lebensmodelle und Lebensvorstellungen verdeutlicht, ein Grund für kommunikative Störungen zu sein. Abhängig von den persönlichen Hintergründen und der emotionalen Ausstattung der Betroffenen können solche Störungen in einen Konflikt, in eine Trennung, eine Scheidung und im Extremfall in familiäre Gewalt oder eben elterliche Kindesverbringung münden. Solche Extremfälle in Form von elterlicher Kindesverbringung sind in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen2. Im Fall einer Kindesverbringung führen die ”kulturelle Unterschiede, die große räumliche Entfernung und die wechselseitige Sorge beider Eltern, dass sie ihre Kinder auf Dauer verlieren, (…) zu einer Verhärtung der Situation. Gleichzeitig nimmt die Erkenntnis zu, dass die daraus resultierenden Konflikte nicht immer von den Gerichten befriedigend gelöst werden können”3. Dieser Erkenntnis folgt zwangsläufig die Frage, welche Alternativen sich bieten, um die dringenden Fragen nach der Zukunft der verbrachten Kinder zu beantworten und dabei beachten zu können, welche menschliche und auch politische Dimension Konflikte annehmen können, wenn sich die Eltern trennen und ein grenzüberschreitender Kampf unter Beteiligung von Behörden und Justiz um gemeinsame Kinder ausbricht4. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage zur Regelung der Kindesverbringungsfälle in den deutsch-polnischen Beziehungen wird im Folgenden nachgegangen und dabei das Beispiel des deutsch-polnischen Projektes: Mediation in Kindschaftssachen erläutert.II. Rechtliche Regelung der Kindesverbringung1. Terminologie Als „internationale Kindschaftskonflikte” sind Streitigkeiten zu verstehen, in denen unterschiedliche Interessen der Beteiligten, meisten der Eltern, die in verschiedenen Staaten leben bzw. bi-national sind, im Bezug auf deren Kinder entstehen. Solche Konflikte umfassen die Kindesverbringungsfälle sowie Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten und entstehen vorwiegend dann, wenn eine bi-nationale Ehe zerbricht und der ehemalige Partner5 beschließt, den Staat des gemeinsamen Wohnsitzes mit den gemeinsamen Kindern ohne entsprechende Sorgerechtsregelung eigenmächtig zu verlassen. Wenn ein Elternteil das Kind oder die Kinder verbringt, ohne Zustimmung des anderen Elternteils den Wohnsitz des Kindes oder der Kinder verlegt oder sich verweigert, es oder sie nach einem Besuch wieder zurückzuschicken, verstößt er in der Regel gegen die Rechtsansprüche des anderen Elternteils, die dann oft in einem Gerichtsverfahren geltend gemacht werden. Werden Kinder ins Ausland verbracht, so bedient sich die juristische Terminologie der im Folgenden dargestellten Gesetzgebung häufig mit dem Termin: Kindesentführung oder Kindesentziehung. Aufgrund der Verbindung dieser Begriffe mit der strafrechtlichen Wertung (wie z.B. Anknüpfung an den Elternteil, dem das Kind „entzogen” wird) oder die begriffliche Negierung der Rechtssubjektivität des Kindes (Kindesmitnahme) werden im Folgenden die Begriffe Kindesverbringung anstatt Kindesentführung und auch Rückführung anstatt Rückgabe verwendet6.2. Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Republik Polen sind Vertragsstaaten etlicher internationaler Übereinkommen,...